Zeitphänomen: Geduld!

Hallo Welt!

Das Thema Geduld begegnet mir beruflich fast jeden Tag. Ein guter Grund sich diesem Thema in einem Blog zu widmen.

Geduld ist eine prima Sache für den, der im Stande ist sie aufzubringen. Für alle anderen ist sie mehr als eine Herausforderung. Vielleicht ist sie sogar die Herausforderung ihres Lebens. Oder schlicht die Pest.

Meine Erstbegegnung mit der Geduld ereignete sich in einem jener Sommerurlaube, die davon gekennzeichnet waren, dass mir nur ein kleines Budget zur Verfügung stand. Dennoch kaufte ich einen Lenkdrachen, da das Wetter und der Wind herrlich waren. Ich richtete den Lenkdrachen im Wind aus, beschwerte ihn mit Sand, den es reichlich gab, und entfernte mich von ihm, die zwei Schnüre ausrollend, bis die Spulen abgerollt waren. Ein leichter Zug an der Schnur und der Drachen erhob sich rauschend in den Himmel. Ebenso schnell krachte er anschließend wieder in den Sand. Nun ja, Drachen fallen öfter vom Himmel, als Meister. Ich musste üben. Also Schnüre aufwickeln, Drachen ausrichten, Schnüre abwickeln und von neuem. Er flog ein bisschen länger, stürzte ab und der Vorgang wiederholte sich.

So können tatsächlich ganze Nachmittage verbracht werden.

Dann kam ich auf eine clevere Idee. Ich sah mich nach zwei Stöcken um, mit denen ich die Spulen auf dem Strand fixierte, ging zum Drachen, richtete ihn neu aus, beschwerte ihn mit Sand und lief zurück. Da bemerkte ich das Malheur. Der Wind hatte in der Zwischenzeit, die dicht beieinander liegenden Schnüre miteinander verknotet. Prima! Okay, es war ein anderes Wort, welches ich damals benutzte.

Was sollte ich jetzt tun? Klar die Schnüre abschneiden, neue kaufen und diesen Fehler in Zukunft vermeiden. Leider, so wurde mir klar, hatte ich dafür kein Geld. Also setzte ich mich schweren Herzens in den Sand, beruhigte mich und entwirrte über vier Stunden die Schnüre, bis sie wieder ordentlich aufgespult waren, während in der Ferne die Sonne unterging.

Es ist mir heute noch ein Rätsel, wie es der Wind geschafft hat, die Schnüre derart zu verwurschteln. Aber ich hatte es geschafft, ich hatte Geduld, und es wurde mir in diesem Moment bewußt. Zufriedenheit und Stolz erfüllten mich.

Es war eine wunderschöne Zeit. Nachrichten entnahm man der Zeitung und zum Telefonieren ging man zur Telefonzelle, wenn man auswärtig war.

Seit damals hat sich alles unglaublich beschleunigt. Der Wortschatz hat sich erweitert und wenn ich heute auf ganz neue Worte treffe, dann muss ich mir diese von meinen Kindern erklären lassen. Und ich meine hier nicht nur Latein.

Doch zurück zur Geduld.

In meiner täglichen Arbeit begegne ich jeden Tag einer Vielzahl von Menschen. Was diese Menschen gemeinsam haben ist: keine Geduld!

Wie kommt das?

Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Jeder und alles ist im Prinzip zu jeder Zeit, an jedem Ort in allen Formen und Farben verfügbar. Was ich möchte – bekomme ich. Wenn ich jemanden anrufe, ist der Angerufene prinzipiell rund um die Uhr erreichbar. Damit es noch schneller geht, werden Drohnen ins Spiel gebracht, die uns unsere Wünsche aus dem Himmel erfüllen. Uns wird das Blaue vom Himmel versprochen. Jetzt und zu jeder Zeit. Ach, Zeit ist ja sowieso und überhaupt gar kein Problem. Und wenn alles nicht hilft, werfen wir lediglich die richtige Tablette ein. Und als aller letztes Mittel, werden wir eben ungeduldig.

Unsere moderne Zeit hat uns in eine Situation gebracht, in der wir erwarten dürfen, dass alles sofort geregelt wird, sofort erledigt wird, alles sofort verfügbar ist, kurz um sofort geht.

So geht es auch den Menschen, mit denen ich täglich zu tun habe.

Und ob es die Arbeit betrifft, die Partnerschaft oder die eigene Gesundheit, alles soll sofort, möglichst ohne eigenes Zutun, zu bester Zufriedenheit gelöst werden. Notfalls auch von anderen.

Zugegeben, Versprechen, die wohlweislich gemacht werden, in dem Wissen, dass sie sich nicht in jedem Fall erfüllen lassen, sind da keine Hilfe. Die Menschen glauben gerne daran und sind dann um so enttäuschter.

Und dennoch, jedermann hat auch eine eigene Verantwortung und die steht vor allen anderen.

Für alle, die sich in Hinsicht Geduld nicht sicher sind, habe ich hier ein Beispiel. Stellt Euch vor ihr habt eine äußerst teuere Vase aus der Ming-Dynastie. Versehentlich schmeißt ihr sie runter, so dass sie auf dem Boden aufschlägt und in mindestens 1000 Scherben zerbricht. Was nun? Der Wert der Vase ist hin. Da die Vase Euch aber so sehr gefallen hat, beschließt ihr sie wieder zusammen zu kleben. Ein interessantes 3D-Puzzel. Jetzt ist Euere Geduld gefragt. Und jetzt kommt das Zweite, was unmittelbar an die Geduld geknüpft ist. Es ist das Annehmen können.

Das Annehmen können der Situation, der Aufgabe, des 3D-Puzzels Ming-Vase. Wenn ich nicht bereit bin die Situation anzunehmen, werde ich meine Geduld nie auf das Maß ausdehnen können, welches zur Erledigung der Aufgabe notwendig ist.

Die zeitlichen Abläufe sind klar. Jedem ist klar, dass das Zerstören der Vase nur einige wenige Sekunden in Anspruch nimmt. Das zusammen kleben jedoch benötigt  deutlich mehr Zeit. Sicher einige Stunden.

Aber ohne das Annehmen der Situation, wird der Geduld bald die Luft ausgehen und die Ming-Vase wird diesmal absichtsvoll gegen die nächste Wand fliegen.

Geduld braucht Zeit und Luft zum atmen. Das Annehmen der Situation ist die Luft der Geduld. Und der Zeit ist es egal wie lange ihr benötigt.

Jeglicher Widerstand, jegliche Ablehnung, jegliches Selbstmitleid ist Gift für die Geduld. Nur das Annehmen der Situation befähigt zur Geduld.

Wenn ich mit dem Menschen auf das Thema Geduld komme, dann sage ich immer: „Nehmen Sie diese Aufgabe an. Wenn das Leben uns Aufgaben stellt, dann ist sich in Geduld zu üben sicherlich eine dieser Aufgaben. Sicherlich kann man diese Aufgabe ablehnen und darüber hinweg gehen, das wird schon gehen. Wenn die Aufgabe aber bleibt sich in Geduld zu üben, dann stellt sich die Frage, was das Leben als nächstes für uns bereit hält, um uns in Geduld zu üben. Ich würde die leichte Aufgabe annehmen.“

Jetzt wünsche ich Euch: nehmt die Aufgaben an, freut Euch darüber und übt Euch in Geduld.

Wir alle haben Zeit.

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